Leserbrief zum Locker-vom-Hocker: Wettessen!
Liebe Frau Kinghorn!
,,Sehr geehrte…” kommt mir für einen Menschen, dessen ,,Locker vom Hocker” so klug und sensitiv geschrieben ist, unpassend vor.
Zu Ihrem ,,Fresswettbewerb” fiel mir ein anderes Geschehen ein: Es war 1945. Nach der Flucht aus Schlesien fand unsere große Familie Unterkunft in einem kleinen Bauernhaus in Thüringen. Zu essen gab es sehr wenig, und hungrig war man immer. Jeden Abend gab es für zwei Stunden keinen Strom. Dann saß Mutter mit den Jüngsten in der Küche vor der offenen Herdklappe und erzählte Geschichten. Besonders beliebt waren die vom ,,Riesen Bumbo”. Dieser hatte sehr schwache Augen, und er konnte für sein großes Gesicht keine Brille bekommen. – Rainer, der Jüngste , schuf Abhilfe. Er fertigte eine große Brille aus Draht und legte sie außen auf das Küchenfensterbrett. Am nächsten Morgen hatte der Riese die Brille geholt und, als Dank, lag eine Scheibe Brot mit Zucker bestreut, auf dem Fensterbrett. Ich sehe noch heute dieses kleine Gesicht vor mir. Aufleuchtend und dankbar – für eine Scheibe Brot. Vielleicht sollten wir heute, im Überfluss lebend, die Dankbarkeit für eine Scheibe Brot wieder lernen.
Eva Maria Walter, Walvis Bay
Hunger – Illustration: Käthe Kollwitz
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