Locker vom Hocker: Das Schlachten von Schafen
Liebe Küstenleser!
Die “Städter”, das waren wir an der Deutschen Höheren Privatschule in Windhoek, die zwar das zarte Fleisch auf dem Teller am Familientisch mit Genuss verzehrten, jedoch nur eine vage Vorstellung davon hatten, wem der Gaumenkitzel in erster Linie zu verdanken war. Das wussten nur die Heimkinder von der Farm, die mit dem Schlachten von Beest, Schaf, Kudu oder Gemsbock aufgewachsen waren. Die Befangenheit von uns Hauptstadtteutonen mit afrikanischem Hintergrund, wenn es um das Abschlachten von Tieren ging, war den Farmkindern fremd. Für sie gehörten blutige Schafskehlendurchtrennungen, Hühnerhalsumdrehungen und die unschönen Ausschüttungen von Tierinnereien zum täglichen Leben – wie Essen, Trinken, Schlafen und Aufsklogehen.
Das Schaf wird auf der Etusis Lodge bei Karibib von Lukas April (links) und Hendrik Jager zum Schlachtplatz geführt.
Fotos: Susann Kinghorn
Ganz so uneingeweiht und doof waren die ,,Städter” allerdings nun auch wieder nicht, wurden wir doch hier und da auch mal auf die Farm eingeladen. Als Kinder besuchten wir regelmäßig die Farm Okuje zwischen Bodenhausen und Onganja nordöstlich von Windhoek. Meine erste Erfahrung mit dem Schlachten habe ich Hans-Richard Lühl, seiner Frau Kunigunde, ihrer Tochter (und meiner ehemaligen Klassenkameradin) Irene und ihrem Bruder Richard zu verdanken. Per Zufall erlebte ich dort, wie die Farmangestellte einem Huhn den Hals umdrehte, den schlappen Vogel in warmes Wasser tauchte, sodass sie ihm anschließend mit Leichtigkeit die Federn ausrupfen konnte. Der Vorgang entsetzte mich, und gleichzeitig war ich wie verzaubert und völlig fasziniert: Eine eben noch quietschlebendig im weißen Federkleid herumgackernde und – tollende Henne verwandelte sich vor meinen Augen in einen leblosen, nackten Leib aus rosafarbenem Fleisch mit gänsehautartigen Erhebungen auf der Hautoberfläche und einem herabbaumelnden, blutigen Hals.
Auch werde ich nie den Anblick des zerlegten Zebras auf der Farm Kelpi im Khomas-Hochland vergessen, wohin unsere Freunde Kurt und Martl Blecher, ihr Sohn Immo (mein Ex-Klassenkamerad) sowie seine Geschwister Ulf und Sigrun uns regelmäßig einluden. Das trächtige Huftier war wegen einer Verletzung erschossen worden, und ich schaute mit Grauen und gleichzeitig magisch gebannt auf das kleine Zebra-Embryo, das fast liebevoll in das Muskelfasergewebe der Gebärmutter eingebettet lag.
Obwohl ich als typische Namibianerin und Karnivorin keinerlei Hängups habe, was das Essen von Fleisch und das dafür notwendige Töten von Tieren anbetrifft, bin ich dennoch kein Freund von unmenschlichen bzw. “untierlichen” Stresssituationen dabei. Zwar weiss ich, dass man ohne Hühnerlegebatterien und auf engstem Raum zusammengepferchte Rinder keine sieben oder acht Milliarden Menschen und bald NOCH mehr ernähren kann, aber der Gedanke an verängstigte Lebewesen generell gefällt mir nicht.
Deshalb beschloss ich, nach einigen Jahrzehnten mal wieder beim Schlachten zuzuschauen und mich zu vergewissern, ob ich die zarte Schaffleisch-Delikatesse auf der Etusis-Lodge ohne große Gewissensbisse verzehren kann. Also begab ich mich, mit der Genehmigung von Sigi von Lüttwitz, der die Gästefarm gemeinsam mit Renate Henseler und Sigi Eimbeck betreut, auf den Schlachtplatz. Die Farmgehilfen Lukas April und Hendrik Jager holten das bereits in einer Einzäunung separierte Opfer ab. Hier konnte ich die einzige Stresssituation beobachten. Das Schaf rannte verängstigt gegen den Draht. Die Angst war allerdings von kurzer Dauer. Auf der Betonfläche unweit des Stalls wird das Tier mit einem Tesching in den Hinterkopf geschossen und ist sofort tot. Mit einem langen, scharfen Messer wird die Kehle durchgeschnitten, sodass das Blut ablaufen kann. Die geringe Anspannung des Schafes sowie das Abfließen des Blutes garantieren die Gewinnung eines qualitativ hochwertigen Fleisches. Das Fleisch von Tieren, die vor der Schlachtung starkem Stress ausgesetzt waren, weist eine verminderte Haltbarkeit und schlechte Verarbeitungsbedingungen auf.
…und nun wird das Fell abgezogen.
Kunstvoll wird das Fell dann an den Hinterbeinen aufgeschlitzt, letztere am Knie abgeschnitten und entfernt, um das Schaf an einer Winde hinaufziehen zu können. In dieser handlichen Höhe kann man das Fell und den Fettschwanz optimal vom Kadaver entfernen…
Alles wird verwertet – das Fleisch, die Knochen für die Suppe, das Fell zum Verkauf, der Fettschwanz zur Gewinnung von Bratfett, der Kopf und sgn. af-val (Herz, Nieren, Lungen usw.) von den Farmarbeitern als Delikatesse.
Schlachten gehört einfach zum Überleben, und das Zusehen dabei hat mir das Fleischessen keineswegs verdorben.
Ihre Susann Kinghorn
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