Locker vom Hocker: Dekadenz!
Liebe Küstenleser!
Während in weiten Teilen unserer bewohnten Erde Hungersnot herrscht, sieht man auf ihrer besseren, nämlich ,,betuchten” Seite ein noch hässlicheres Gesicht: das Wettessen. Ein zu wenig an Nahrungsmitteln entspringt nämlich in den meisten Fällen nicht dem eigenen Wunsch des betroffenen Menschen, während die Teilnahme an Wettessen bewusst gewollt ist.
Als Wettessen bezeichnet man, nach Wikipedia, einen Wettbewerb zwischen zwei oder mehr Teilnehmern, die in einer bestimmten Zeit möglichst viel von den ihnen vorgesetzten Speisen verzehren müssen (bzw. wollen – das füge ich hier hinzu!)
In der finnischen Stadt Akaa wurde beispielsweise 2005 die Weltmeisterschaft im Mämmi-Wettessen ausgetragen. Mämmi ist ein Brei, der aus Roggenschmalz hergestellt und traditionell zur Osterzeit verzehrt wird. In dem slowakischen Ort Turecká wird jährlich ein Brimsennocken-Festival veranstaltet, zu dem beispielsweise gleichfalls ein Wettessen gehört.
In den USA wird jedes Jahr zum Independence Day das Internationale Hot-Dog-Wettessen in New York ausgetragen.
Hotdog-Wettessen in einer übersättigten Gesellschaft in den USA.
Ein einziges Eigenschaftswort genügt, um mein Gefühl zu dieser Fresserei zu beschreiben: ekelhaft! Die Völlerei – wenn Teilnehmer dieser widerlichen Wettbewerbe Unmengen von Nahrungsmitteln verschlingen – , ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die ungewollt hungern müssen. Sie belastet außerdem das Gesundheitssystem eines Staates. Immer wieder wird von Verletzten oder Toten bei diesen Fressorgien berichtet. So starb in Deerfield Beach, Flo-rida, USA der 32-jährige Edward Archbold nach einem Kakerlaken-Wettessen. Ein Ukrainer bezahlte seinen Sieg bei einem Wareniki-Wettessen mit dem Leben. Der 77-jährige Gewinner fiel nach dem Turnier zu Boden und starb offenbar an Organversagen.
Nun, ich habe hier nicht das geringste Mitleid, sondern bin lediglich besorgt über die Einstellung, die diese Fressmaschinen zu kostbaren Lebensmitteln haben. Mir ist es völlig egal, ob der Massenkonsum von Esswaren Kreislaufkollapse, Nierenversagen oder Magengeschwürverletzungen zur Folge hat oder das gesamte Verdauungssystem geschädigt wird. Ich bin lediglich bekümmert um die Belastung von Krankenkassen und die Plünderung unserer wertvollen Nahrungsressourcn durch Zweibeiner, die nicht Maß halten können. Ich habe wirklich nichts gegen ein sporadisches Schlemmen mit fetter Pute zu Weihnachten oder einen Osterfrühstückstisch, der sich vor Schokolade und anderen Osterleckereien biegt. Wenn aber der ,,König des Magens”, Pan Yizhong, 40 Schüsseln Nudeln innerhalb von 15 Minuten in sich hineinschaufelt und anschließend als Nachtisch noch einen Teller lebender Würmer vertilgt, dann möchte ich mich an seiner Stelle übergeben:
Hungerndes Kind (Käthe Kollwitz)
einmal deshalb, weil zum Beispiel zehn Jahre vor Pans Geburt 45 Millionen Menschen in den Hungersnöten nach Mao Zedongs Industrialisierungskampagne starben, zum anderen wegen Pans Einstellung zu dem wertvollen Gut Essen, die ich absolut nicht nachvollziehen kann, vor allem wenn man seinen Hintergrund ein wenig kennt. Der berühmteste Wettesser Chinas hat als Kind die Essenreste seines Lehrers vertilgt und wuchs in der Planwirtschaft auf, wo es gutes Essen und Fleisch nur zu besonderen Gelegenheiten gab.
Ich muss gerade wieder an die ergreifende Szene aus dem Kriegsfilm ,Der Pianist’ denken, als der polnische Musiker und seine drei Familienmitglieder sich einen im Gefangenenlager teuer erkauften Bonbon teilen, indem sie ihn in vier winzige Stückchen schneiden.
Das Bild lässt mich nicht los!
Ihre Susann Kinghorn
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