Locker vom Hocker: Der Enkaufswagen
Liebe Küstenleser!
Da steht er, einsam und verlassen in der Weite des Kuisebdeltas südlich von Walvis Bay: ein Einkaufswagen, zu dem man heute beim Betreten eines Lebensmittelgeschäftes ganz selbstverständlich greift. Wie er seinen Weg just in diese Einöde gefunden hat, darüber könnte man eine Phantasiegeschichte schreiben. Tatsache ist jedenfalls, dass diese Erfindung inzwischen viele Zwecke erfüllt. Manchmal sieht man hierzulande einen Vagabunden, der sein bescheidenes Hab und Gut in dem mobilen ,,Zuhause” verstaut hat und vor sich herrollt. Kinder und Jugendliche funktionieren ihn zu einem Spielauto um oder verwenden ihn so wie er ist als ,,Seifenkiste”. Er dient nicht nur in Supermärkten, sondern auf Flughäfen und auch sonst als Transportierer jeglicher Art von Gegenständen und Kindern. Die bloße Tatsache, dass weltweit eine stattliche Anzahl dieser Draht-Mulis zweckentfremdet wird, zeigt jedenfalls, dass es sich um ein begehrtes Objekt handelt.
Dieser stumme Zeuge der guten Erfindung eines Sylvan Goldman aus dem Jahre 1937 rostet südlich unserer Hafenstadt leise vor sich hin. Foto: Andreas Kinghorn
Wie aber hat alles begonnen? Vor knapp 80 Jahren existierte diese Alltagshilfe, die wir beim Großeinkauf automatisch vor uns herrollen, nämlich noch nicht. Im Jahre 1937 sitzt ein Geschäftsmann nach Ladenschluss wiederholt in seinem Büro in Oklahoma City und macht sich Gedanken darüber, wie er den Umsatz seines Ladens verbessern könne. Sylvan Goldman ist Besitzer des Humpty-Dumpty-Supermarkts und hat beobachtet, dass seine Kunden gerade so viel (das heißt wenig) kaufen, wie in ihre Einkaufstüte oder ihren Korb hineinpasst. Und irgendwann hat der US-Amerikaner, der sich zum Multimillionär entwickeln sollte, plötzlich eine Idee, wie man das ändern kann. Er befestigt zwei Metallkörbe auf der Sitzfläche eines einfachen Klappstuhls und montiert an die Unterseite der Stuhlbeine Räder. Voila! Problem gelöst!
Pustekuchen! Die Geburt des Einkaufswagens läuft nicht ganz so glatt wie erhofft. Zwei Gründe gibt es für die längeren Wehen, ob Sie es nun glauben oder nicht. Einmal sahen die Männer sich damals vor dem II. Weltkrieg als ,,Weicheier”, wenn sie einen Karren vor sich herschoben und ihre Kraft nicht ausreichte, den Einkauf der Familie selbst zu tragen. Zum anderen wollten die Frauen nicht, dass man ihnen nachsagt, sie würden schon WIEDER einen Kinderwagen vor sich herschieben. Vergessen Sie nicht, liebe Leser, es war die Zeit vor der Antibabypille, und die Babys purzelten damals weltweit heraus wie heute eher nur noch in den Entwicklungsländern.
Ein kluger Mann aber gibt nicht auf. Als Goldman Statisten einsetzt, die fröhlich mit einem vollen Einkaufswagen durch den Laden kurven, kommt seine Erfindung ins Rollen.
Ihre Susann Kinghorn, die den rollenden Warenkorb mit Ehrfurcht vor sich herschiebt, seitdem sie weiss, wie alles angefangen hat.
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