Locker vom Hocker: Eiertanz mit Wörtern

Liebe Küstenleser,
Gerade habe ich mir nochmal das Interview reingezogen, das unser Radiosprecher vom Deutschen Hörfunk, Jochen Berends, kürzlich mit Marianne Zappen-Thomson, Dozentin und Leiterin der Abteilung für Germanische und Romanische Sprachen der Universität von Namibia (Unam), führte.
Wenn ich das Gerüst des Gesprächs in einem Satz zusammenfassen müsste, würde er so lauten: Man sollte möglichst alle Wörter/Phrasen/Redewendungen in einem Gespräch vermeiden, die einen anderen in irgendeiner Form verletzen könnten.Maulkorb nein danke klein

 

 

 

 

 

Maulkorb? Nein danke!

 

 

 

Frau Zappen-Thomson nennt ein paar Beispiele. So darf man das Wort Hottentottenpopo für die Lithops-Sukkulente nicht in den Mund nehmen, da Hottentotte ein Schimpfwort aus der Kolonialzeit ist. Auch Begriffe wie ,Führer’ und ,Mädel’ oder Redensarten wie ,Ich mach das schon bis zur Vergasung’ sind tabu, weil sie an den Nationalsozialismus erinnern. Von Gartenjungs (aus dem afrikaansen tuinjong entlehnt) oder Buschleuten zu sprechen ist degradierend, und Begriffe wie Bimbos, Nicht-Weiße, oder gar Dunkelgrüne zu verwenden, ist nicht nur negativ, sondern auch noch unwahr. ,,Die sind doch gar nicht dunkelgrün”, meint Frau Zappen-Thomson, und sie plädiert dafür, dass man dann doch lieber gleich von ,Schwarzen’ spricht. ,,Aber sind sie denn schwarz?”, möchte ich fragen. Außerdem ist sie sich als Sprachwissenschaftlerin ganz bestimmt darüber im Klaren, warum der Begriff ,Dunkelgrün’ überhaupt entstanden ist, nämlich deshalb, liebe Leser, weil es just solche Menschen wie Frau Zappen-Thomson gibt, die den deutschen Wortschatz und damit die Sprachfreiheit und -entwicklung einschränken. Der Begriff ,Dunkelgrüne’ entsprang dem Tabu, von unserer stark pigmentierten Bevölkerung als ,Schwarze’ zu reden, und man sich somit als weniger stark getähnte Spezies etwas Neues ausdenken musste.
Übrigens fallen wir Weißen für die Herero nicht einmal in die menschliche Kategorie. Sie nennen uns ,Otjirumbu’, und das bedeutet ,,fahles Ding”. Mich stört das nicht!
Ich finde, wir deutsch-sprachigen Namibier und auch die Bundesdeutschen lassen generell wenig Platz für Sprachfreiheit und Wortneufindungen. Wir sind so gebots- und verbotsversessen (siehe die neue Rechtschreibung, die akribisch durchdacht und fast diktatorisch festgelegt wurde), dass das Sprechen (und Schreiben) gar keinen Spaß mehr macht und man zum Stotterer/gehemmten Schreiberling zu werden droht (ich bitte um Verzeihung, wenn ich hier irgendwo jemanden verletzt habe, der tatsächlich stottert oder gehemmt ist!).
Da lobe ich mir die Afrikaaner, die ihre Sprache akrobatisch-verspielt fließen lassen, ständig neue Wörter bilden (zum Beispiel driehoekiekoekiedoekie für einen G-string), sich aus anderen Sprachen etwas aneignen (das deutsche Brötchen ist zu bretsjen geworden und nun offiziell ein afrikaanses Wort), ihren wundervoll-flexiblen Buchstabensalat in den phantasievollsten Bildern und Neuerfindungen sprechen lassen.
Nun kommt Frau Zappen-Thomson mit NOCH mehr Regeln, Gesetzen und Maulkörben, weshalb ich zunehmend mit meinen Hunden oder mir selbst rede. Zumindest wird einem da nichts vorgeschrieben. Wenn ich ihren Vorschlag akzeptieren würde, mich vor jedem Satz, den ich äußere, erstmal danach zu erkundigen, wie mein Gesprächspartner sich fühlt, dann kann ich gleich die Lippen geschlossen halten!
Frau Professorin meint, man sollte auch nicht mehr von Zigeunern reden, weil der Begriff negativ behaftet ist. Ich nenne manchmal Bekannte Zigeuner. Warum? Weil ich sie darum beneide, dass sie ihre Wanderlust so voll auskosten und ich es mit meiner dicken Pfahlwurzel in der namibischen Erde selten schaffe, mich einfach loszureißen und die Welt da draußen mehr zu erkunden. Ich assoziiere Zigeuner also durchaus mit etwas Positivem. Muss ich jetzt erst jeden fragen, ob er mit dem Begriff ein Problem hat, bevor ich ihn gebrauchen darf?
Schwarzafrika ist ebenfalls ,,out”. Man spricht ja schließlich auch nicht von Weiss-Europa. Von Taubstummen zu reden ist unerhört, denn schließlich können diese zwar nicht hören, dafür haben sie jedoch ihre eigene Zeichensprache. Nun, Sprache hat für mich immer etwas mit Sprechen zu tun, und einer, der keine verständlichen Wörter aus seinem Munde fließen lassen kann, der ist für mich stumm, aber ich lasse mich gerne belehren.
Wie dem auch sei, liebe Leser, ich habe einfach keine Lust auf diesen Eiertanz. Natürlich bin ich auch für Höflichkeit, denn: “Höflichkeit gleicht einem Luftkissen: Es ist nichts drin sein, aber es mildert die Stöße des Lebens.” (Schopenhauer) Dann wiederum nehme ich meinen verbeulten Südwester Hut ab vor dem Kind aus dem dänischen Märchen ,Des Kaisers neue Kleider”, das den Luftballon der Höflichkeitsfloskeln und Betrügerei durchbricht und dem Kaiser, der sich noch in dem Eitelkeitswahn seiner nicht-existenten Kleider wiegt, reinen Wein einschenkt: ,,Aber der Kaiser hat ja gar nichts an! ”
Letztendlich aber berühren Frau Zappen-Thomson und ich uns doch an einem Punkt. Im Internet entdeckte ich ihre Antwort auf eine Frage der Allgemeinen Zeitung in einem Interview aus dem Jahre 2005, was denn ihre Stärken und Schwächen seien, und da fühlte ich mich fast familiär mit ihr verbunden: ,,Meine Stärke ist sicher, dass ich ein sehr positiver Mensch bin. Meine Schwäche ist, dass ich häufig rede, ohne erst einmal durchgeatmet zu haben. Somit sind meine Aussagen nicht immer diplomatisch, aber ich tröste mich damit, dass sie zumindest ehrlich sind.” Jess ja, ich like deine ,,Schwächen” muuhrsche, Marianne, weil ich sie so gut verstehe. Meine Welt sieht schon klaar nicht mehr so zappenduster aus, jetzt, wo ich weiss, dass wir eigentlich verwandt sind. Wir können unsere germanischen Wurzeln halt nicht leugnen, und dazu gehört auch der Spruch, der in der deutschen Küche hängt: Sprich, was wahr ist, trink, was klar ist, iss, was gar ist!
Deine/Ihre
Susann Kinghorn

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