Locker vom Hocker: Idyllischer Familienurlaub am strahlend blauen Meer?
Liebe Küstenleser!
Die Weihnachtsferien stehen vor der Tür. Der Familienurlaub an der Küste ruft. Ein Bild aus der Reklamewelt erheitert unser Gemüt: ein braungebrannter Papa, der in himmelblauer Badehose am Strand liegt, das prall gefüllte Ferienportmonee passt gerade in die Tasche seines knallgelben und mit Palmen versehenen T-shirts, das er sich zur Sicherheit und Entspannung unter den Nacken geklemmt hat; daneben eine zufriedene Mami mit breitkrempigem Strohhut – Hüterin des mit Saft, Chips, Pasteten und Bonbons gefüllten Picknickkorbs unter dem bunten Sonnenschirm; davor sitzt der blondgelockte Sohn mit seiner knuffigen Schwester im Strandröckchen, die mit der einen Hand das schmelzende Eis zum Munde führt, mit der anderen das grüne Plastikschaufelchen betätigt, um der Sandburg den letzten Schliff zu geben. Welch eine Ferien- und Familienidylle!
Diese Illustration einer Familienferienidylle, die im ersten Locker-vom-Hocker-Band von Susann Kinghorn erschien, stammt von Uschi Eggert.
Wie aber sieht es aus, wenn man sich mal eine ordentliche Ohrfeige verpasst und die rosarote Brille von der Nase nimmt?
Es gibt da eine Reihe von Bildern, die mit jeder Urlaubserfahrung an unserer schönen Atlantikküste im Kurz- oder Langzeitgedächtnis gespeichert wurden: gefährlich reger Verkehr auf Pad vom heißen Inland in die kühleren Regionen, unhygienische Toiletten an den Tankstellen, das Genörgel der gelangweilten Kinder im stickigen Auto (heute mit Klimaanlage ist DAS zumindest passè); Hundekot auf dem Weg vom Bungalow ans Meer; leere Bierflaschen und Zigarettenstummel an der Jetty; übergewichtige Kinder, die passiv im Strandsand sitzen und in den mehrlagigen Hamburger beißen; Familienvater mit Bierwampe und Gummilatschen, die mit der Zeit durch den Druck des Körpergewichts eine Wippform erhalten haben; eine Mutter, die ihre wettergegerbte Lederhaut weiterhin gnadenlos der beißenden Sonne aussetzt; Botsotsos, die es auf das pralle Portmonee abgesehen haben und aus den merkwürdigsten Schlupflöchern hervorkriechen; stundenlanges Schlangestehen bei der Autobank oder vor einem Parkplatz, der einfach nicht frei werden will.
Lassen Sie sich aber bitte nicht den Urlaub durch die harte Realität verderben! Gerade die Dinge, die nicht so glatt laufen, können manchmal zur schönen Erinnerung werden.
So denke ich heute manches Mal, wenn ich im warmen Molensand sitze, an einen Familienurlaub zurück, als ich noch nicht in der Schule war. Mein Vater hievte mich auf seine Schultern und ging mit mir ins Meer, obwohl wilde Wogen auf eine Springflut hindeuteten. Obwohl ich wie am Spieß schrie, lief er mit mir ins schäumende Wasser. Plötzlich riss eine hohe Welle mich von meinem Thron und schleuderte mich in ihrem Strudel hin und her. Ich meinte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Wie durch ein Wunder fühlte ich plötzlich inmitten dieses Waschmaschinentrommeltumults eine Hand, die mich rettend nach oben zog. Dieses Erlebnis hatte die schlechte Nachwirkung, dass ich bis heute in Panik gerate, wenn ich ins Meer gehe und den Boden nicht mehr unter meinen Füßen fühle. Gleichzeitig ist dieselbige Familienurlaubserfahrung mit einer überaus großen Freude verbunden: Der Sensenmann hat mich damals nicht erwischt, weshalb ich noch so viele schöne Familienurlaube miterleben durfte.
Ihre glückliche Susann Kinghorn
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