Locker vom Hocker: Schwimmender Mühlstein
Liebe Leser!
Da! Die typische Dreiecksflosse ragt aus der spiegelglatten Meeresoberfläche in der Lagune von Walvis Bay. ,,Ein Hai!”, geht es verhalten respektvoll durch die Besucherschar, die sich am Rande des Katamaran Silverwind von Catamaran Charters versammelt hat, ein Unternehmen, das heute von Familie Theunis Keulder geleitet wird. Die Blicke sind gebannt auf die dunkle Flosse im silbrigen Spiegel des Atlantik gerichtet, aber …sie bewegt sich kaum. Unmöglich, das kann kein Hai sein, der normalerweise in beachtlichem Tempo durchs Wasser gleitet, wenn nicht gar schießt.
Die Rückenflosse des Sonnenfischs spiegelt sich an einem fast windstillen Tag auf der glatten Meeresoberfläche in der Lagune der Hafenstadt. Fotos: Susann Kinghorn
Der Katamaran nähert sich der spitzen Flosse, und da – knapp unter dem Wasserspiegel – liegt das Monstrum eines Mond- oder Sonnenfischs.
Der Körper des Mola mola ist kurz, diskusförmig und kaum länger als hoch. Statt einer Schwanzflosse sieht man hier den gewellten Hautsaum (Clavus), der den hinten stumpfen Körper abschließt und fast von der Rücken- bis zur Afterflosse reicht.
Sein wissenschaftlicher Name lautet Mola mola, und das bedeutet so viel wie schwimmender Mühlstein, passend zu einem Koloss, der über zwei Tonnen wiegen kann. Der Goliath unter den Fischen ist nicht nur der größte Knochenfisch auf Erden – ein Status, den der Riesenhai ihm hätte abspenstig machen können, wenn letzterer nicht ein Knorpelfisch wäre -; er hat auch das dickste ,,Fell” aller Lebewesen auf Erden. Wegen seiner 15 cm dicken Haut macht ihm die Kälte in 1000 bis 1500 Meter Tiefe wenig aus. Dort hält er sich nämlich meistens auf, weshalb man sich glücklich schätzen kann, wenn man diesen komprimierten Fettfleck einmal direkt unter der Wasseroberfläche bewundern darf.
Wie gut, dass ich mich aus sicherer Entfernung vom Katamaran aus an dem prächtigen Sonnenfisch erfreuen darf. Da mir mein Leben lieb ist, möchte ich ihm nicht unbedingt zu nahe treten. Er produziert nämlich das tötliche Gift Tetrodoxin. Durch dieses Nervengift werden die Opfer vollständig gelähmt und können sich weder bewegen noch sprechen, bleiben aber bei Bewusstsein. Sie sterben dann an Atemstillstand und folgender Erstickung oder aber an Herzstillstand.
Nein, du schwerer, dicker Mühlstein, mich erwischst du nicht, denn ich halte meinen respektvollen Abstand. Trotz deiner giftigen Seite ist mir schleierhaft, warum die Menschen dich nicht zu den ,,Big Five of the Ocean” rechnen. Wenn der Walhai es als größter Knorpelfisch geschafft hat, solltest du als gigantischster Knochenfisch allemal dazugehören. Ich werde mal ein Wort für dich einlegen, du Urvieh der Meere.
Deine/Ihre
Susann Kinghorn
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