Locker vom Hocker: Was ist aus dir geworden, oh mein Okahandja?
Liebe Küstenleser!
Eine meiner schönen Kindheitserinnerungen ist der Sonntagsausflug nach Okahandja. Meine Eltern scheuten die 85 km lange Fahrt in unserem knatternden roten VW-Kombi Typ 2 von der Landeshauptstadt in das Stammzentrum der Herero nicht, um ihren fünf Sprösslingen einen Besuch im alten Zoopark zu ermöglichen. Dieser befand sich etwa 2km nördlich von Okahandja an der Voortrekker Straat, wo heute das Okahandja Country Hotel gelegen ist. Der Höhepunkt unserer Zoovisite war die Begegnung mit dem schwarzen Raben, der seine Flügel nach hinten ausbreitete, als wollte er Luft holen, dann mit dem Kopf nach vorne schoss um mit einer richtig coolen Reibesenstimme ein krächzendes ,,Hello” auszuspucken. Wir konnten stundenlang vor diesem Käfig stehen, vielleicht auch deshalb, weil es damals noch kein Fernsehen gab.
Anschließend ging es dann in die Okahandja-Bäckerei, wo wir im Cafè von Arnold Fischer, eingehüllt in den Duft von allerlei leckerem Gebäck, frische Brötchen essen durften. Auch das Cafè Fischer mit seiner hübschen Grünanlage ist verschwunden, und stattdessen schaut man auf graue Mauern und Gitter, hinter denen sich eine Spielhölle mit Biergarten versteckt.
Wo einst der Zuckerguss von Arnold Fischers Spritzkuchen die Mundwinkel hinunterfloss, starrt man heute auf vergitterte Rundöffnungen in grauem Gemäuer. Fotos: Susann Kinghorn
Überhaupt ist von dem Zauber der Stadt, wo sich die Riviere Okakango und Okamita treffen, wenig übrig geblieben. Überall macht sich Verfall und Verschmutzung breit. Um dem Dreck und Niedergang dieser einst blühenden Stadt zu entkommen, beschließe ich, endlich einmal die Gräber des Hererohäuptlings Tjamuaha, seines Sohnes Maharero und dessen Sohn Samuel Maharero zu besichtigen, wo doch der Präsident des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Markus Meckel, vor etwa zwei Monaten einen Kranz niedergelegt und besagter Bund sich verpflichtet hat, wenigstens die Pflege von Grabstätten in Namibia zu unterstützen.
Ich frage also eine Meme am Straßenrand, wo sich diese Gräber befinden. ,,Huuh, mevrou”, ruft sie aus und schlägt ihre Hand vor den Mund. ,,Ek weet nie, of dit veilig is, om daar te gaan nie. Die botsotsos is mos oorals” Auf Drängen hat sie mir dann aber doch den Weg beschrieben, und so sehe ich vor mir plötzlich das Schild ,,HERERO GRAFTE GRAVES GRÄBE…”, fahre durch verdreckte Buschwelt, und dort, vor einer verfallenen Ruine, steht der Granitstein auf Zement und zwischen Mäuerchen versteckt, davor der vertrocknete Kranz mit einer aus der Schwarz-Rot-Gold und der schwarzweißen Flagge des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge geflochtenen Schleife darin.
Dieses alte Schild, das sich, versteckt unter Bäumen, etwa 200 m von den Denkmälern entfernt befindet, entdeckte ich erst nach meiner Gräber-Besichtigung.
Befremdend lächelt einen die farbkräftige deutsche Flagge in der ansonsten tristen Landschaft entgegen. Tjamuaha, Maharero, Samuel, und auch du, Kaimbire Tjamuaha, all ihr Herero-Oberhäupter, die ihr hier an diesem bedrückenden Ort so einsam unter grauem Zement und kalter Erde ruht, seid froh, dass ihr diesen Schlamassel über der Erde nicht mit ansehen müsst.
Das meint eure/Ihre Susann Kinghorn
Habt ihr es gut, all ihr Herero chiefs, dass ihr sanft unter der Erde ruhen dürft und euch den Schlamassel hier oben nicht mehr anzusehen braucht.
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