Locker vom Hocker: Wir Asperger! – Susann Kinghorn
Liebe Küstenleser!
,,Gibt es so etwas wie Asperger-Syndrom im Alter von über 50?” Diese Frage stellte eine mitteljährige Frau auf Facebook in die Cyber-Sphäre. Und sie fügte hinzu: ,,Gerade letzten Sonntag hatte ich wieder das Gefühl, dass sich die Symptome dieser sg. Krankheit in mir manifestieren, als ich gerade meinen Morgenkaffee trinken, mein Brötchen essen und den Sonnenaufgang einmal ohne PC vor der Nase oder den Druck irgendeines sozialen Termins im Nacken genießen wollte…und plötzlich klingelt das Telefon!!!” Die Dame in den 50igern erhielt auch gleich mehrere Antworten darauf. Eine davon lautete: ,,Das ist nicht Asperger, sondern Introvertiertheit oder Weltabgeschlossenheit. Durch die heutige Stimulationsüberflutung brauchen wir immer häufiger das Alleinsein, um unsere Batterie wieder aufzuladen.” Allerdings! Da stimme ich vollkommen mit überein.
Ist es tatsächlich als eine Krankheit zu sehen, wenn ein Mensch nicht unbedingt der Norm entspricht, die jemand von einem anderen erwartet? Wer bestimmt denn nun eigentlich, was ,,normal” ist?
Immer häufiger hört man Sätze wie: ,,Mein Sohn hat Asperger.” Oder: ,,Ich habe jetzt herausgefunden, dass mein Mann Asperger hat.” Diese ,,Entwicklungsstörung” wird als eine milde Variante innerhalb des Autismusspektrums beschrieben, die vor allem durch Schwächen in den Bereichen der sozialen Interaktion und Kommunikation gekennzeichnet ist, sowie durch eingeschränkte und stereotype Aktivitäten und Interessen. Wissenschaftler, Ärzte und Psychologen streiten sich bis heute darüber, ob man von einer Krankheit sprechen oder ob dieser Zustand eher als eine Normvariante der menschlichen Informationsverarbeitung eingestuft werden sollte.
Ich bezweifle nicht, dass es allerhand Formen von Autismus gibt, aber wenn ich mich so in meinem bescheidenen sozialen Umfeld umschaue und vor allem auch in mich selbst hineinhorche, dann frage ich mich, ob wir nicht alle eine Portion von Asperger in unserem Hirn/Wesen – nicht zu verwechseln mit aspersies (Spargel) im Magen – haben.
Dr. Temple Grandin, eine autistische Dozentin für Tierwissenschaften an der Colorado State University in Fort Collins hat dazu Folgendes zu sagen: ,,Früher hat man Autismus (Asperger usw.) als außergewöhnliches Talent diagnostiziert und nicht , wie heute, als Behinderung. ” Als Temple Grandin zwei Jahre alt war, wurde bei ihr ein „Hirnschaden“ diagnostiziert. Sie sprach bis zum Alter von dreieinhalb Jahren nicht und zeigte noch andere Verhaltensauffälligkeiten wie heftige Wutausbrüche und langes Betrachten von Details an Gegenständen. Ihre Eltern missachteten den Rat der Ärzte, sie in ein Heim zu geben, und förderten sie von da an intensiv, indem sie an ihre Interessen und Neigungen anknüpften. Grandin wurde von einem sprachheilpädagogischen Kindergarten aufgenommen. Ein Kindermädchen sorgte für die ersten Schritte zur Kommunikation mit anderen Kindern. Danach besuchte sie eine Reihe von Privatschulen. Diese Förderung ermöglichte es ihr, experimentelle Psychologie zu studieren und an der Universität von Illinois (Urbana) eine Doktorarbeit im Fach Tierwissenschaften zu schreiben.”
Wenn Sie mich fragen, sollten wir einsehen, dass wir alle in einem Maße autistisches Verhalten offenbaren, und aufhören, Symptome wie Ängstlichkeit, übermäßige Empfindlichkeit, Steifheit, motorische Ungeschicktheit, intellektuelle Geschicklichkeit usw. als anormales Asperger-Syndrom zu bezeichnen.
Ihre Susann Kinghorn
You must be logged in to post a comment Login